Kompositionslehre: Blicke richtig lenken, aber wie?

Passend zu den zuvor erklärten Regeln (Goldener Schnitt und Drittelregel) geht es nun um die Blickrichtung eines Menschen bei der Betrachtung von Sujets. Denn in allen visuellen Medien, die wir im Unterschied zum Film, dem Theater oder der Musik scheinbar simultan wahrnehmen können, gibt es immer mehrere Möglichkeiten ein Bild zu „lesen“. Unsere Wahrnehmung konzentriert sich auf einen engen Sektor um unsere Blickachse. Wie mit einem Laser tasten wir deshalb Bilder ab, springen von einem zum anderen optischen Zentrum, werden weitergeleitet, angezogen, abgebremst, zurück geführt. Besonders in der Werbung ist es wichtig, dass der vom eye-catcher eingefangene Blick über den Slogan schließlich auf das beworbene Produkt oder Firmensignet weiter geleitet wird, soll sie ihr Ziel erreichen. In Kunstwerken sind die Anforderungen nicht ganz so rigide, aber durchaus gültig. Die alte Atelierweisheit „Gelb am Rand, des Malers Schand“ macht deutlich, dass der Blick ins Bild hinein und nicht aus diesem heraus geführt werden soll.

In Bildern mit gegenständlichen Darstellungen entstehen Bewegungen durch Bewegungsandeutungen. Gesten und Blickrichtungen erzeugen wie formale Elemente auch Bewegungen, weil das Auge bestrebt ist, einen Bewegungsablauf zu vervollständigen, einen begonnenen Ablauf zu vollenden, einer Geste, einem Blick, einem Zeichen oder Deut zu folgen.


Als erstes wird hier das Auge zum Foto gelenkt, dem so genannten Eye-Catcher (1), denn Bildern lenken sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir verweilen kurz auf dem Bild, dabei sehen wir zuerst das Hauptmotiv, in diesem Falle den Mann an (1), danach betrachten wir den „Himmel“, also den oberen Teil des Hintergrunds (2) und erst zum Schluss den „Boden“, den unteren Teil des Bildes (3). Wurde das Bild fertig analysiert führt uns unser Auge zur Headline des Sujets (2), der Subheadline wird erst ganz zum Schluss Aufmerksamkeit geschenkt (3).

 

In rein formaler Weise entsteht Bewegung durch:

  • Linien, deren Verlauf das Auge folgt
  • Anordnung und Ausrichtung beliebiger Elemente auf einer gedachten Linie
  • Größenabstufungen mehrere Elemente in linearer Folge
  • Helligkeitsabstufungen in einer bestimmten Richtung
  • graduelle Farbstufungen
  • Formabwandlungen und Metamorphosen mehrerer Elemente in einm bestimmten Ablauf.

 

Aussagen der verschiedenen Linien:

  • Horizontale – Statik, Ruhe, Unveränderbarkeit, Harmonie
  • Vertikale – Höhe, Stille, Stärke, Aufrechtes, Blickführung von oben nach unten
  • Diagonale – Energie, Bewegung, Anregung, Führung zum Hauptobjekt
  • Assoziationen des Auf – und Absteigens
  • Von links nach rechts führende Linien haben eine positive Aussage/Wirkung, da sie der natürlichen Blickführung entsprechen
  • Von rechts nach links führende Linien werden daher eher als negativ assoziert

 

Auch im Web werden zuerst die Bilder einer Website betrachtet. Darum ist es nicht sehr empfehlenswert auf Bilder zu verzichten. Denn Texte werden meist(!) nur überflogen, Bilder können dabei behilflich sein, die Texte einer Seite aufzulockern und für das Auge spannender wirken zu lassen. Außerdem kann man mithilfe der Bilder und der im Bild enthaltenen Linienführung den Blick des Betrachters weiter auf wichtige Textelemente lenken.

 

 

 

Kompositionslehre: Wem der Goldene Schnitt zu kompliziert ist, verwendet die Drittel-Regel

Neben dem Goldenen Schnitt gibt es eine weit einfachere Methode Flächen einheitlich zu proportionieren, die sogenannte Drittel-Regel. Der Goldene Schnitt scheint zwar von göttlicher Abstammung zu sein, aber erweist sich vielleicht auch gerade deshalb, als schwer anwendbar in der Praxis. Die Drittel-Regel hingen gilt als besonders beliebt, wegen der einfachen Anwendungsmöglichkeit. Besonders in der Fotografie gilt sie als renommiertes Werkzeug, um das Bild einzuteilen, aber auch in der klassischen Kunst und der Architektur wird sie eingesetzt. Den Ursprung findet auch diese Regel in der Vergangenheit, sie ist an den Goldenen Schnitt angelehnt, nur ist die Drittel-Regel in ihrer Theorie und Anwendung weitaus einfacher als der Goldene Schnitt. Sie basiert auf einer Theorie, die besagt, dass wir mittig platzierte Objekte in einem Bild als “langweilig” oder “öde” empfinden.

Dabei wird eine Fläche jeweils horizontal und vertikal in drei gleiche Teile geteilt. Es sind am Ende also neun gleich große Teile zu sehen.

Die Linien dienen nun zur Orientierung bei der Platzierung von Bildelementen. Die Elemente werden an den horizontalen oder vertikalen Linien sowie Schnittpunkten platziert um ein harmonisch wirkendes sowie für das Auge interessantes Gesamtbild zu erschaffen. Gerade das Hauptmotiv sollte wie beim Goldenen Schnitt an den Schnittpunkten oder entlang der gedachten Linien platziert werden. Um Spannung im Bild aufzubauen kann diese Regel auch bewusst gebrochen werden.

Die Dritte-Regel ist also wirklich einfacher anzuwenden als der Goldene Schnitt, außerdem lässt sie sich auch in den Gestaltungsprozess einer Website implementieren. Das Konzept von einem gedrittelten Raster hilft dabei zu verstehen wie eine Person das Bild betrachtet. Die Schnittpunkte dieses Rasters sind die Punkte an denen der Betrachter mit dem Auge „hängen“ bleibt. Forschungen haben ergeben, dass die obere linke Ecke, die Ecke ist, die am längsten betrachtet wird.