Es gibt einen Namen, an dem man bei der wissenschaftlichen Analyse von Sound Design nicht vorbeikommt: Michel Chion. Der französiche Komponist, Filmemacher und –kritiker wird in gefühlt jedem zweiten Text erwähnt, in dem sich tiefergehend mit der Wirkung von Klang beschäftigt wird.
In particular, the book titled L’audio-vision. Son et image au cinéma, originally published in France in 1990, has been considered by all critics as the definitive book on the relations between sound and image, which are described as two different languages within the multimedia art form, discussing the argument from both technical-linguistic and aesthetic points of view, where before it was discussed principally in terms of narrative implications.
Audio-Vision ist keine leichte Kost, teilweise werden innerhalb eines Absatzes mehrere Themen angesprochen und neue Terminologien vorgeschlagen. Deswegen sollen hier einige Thesen und Erkenntnisse vorgestellt werden.
Sound „verzeitlicht“ Aufnahmen (S. 13f): Die Wahrnehmung einer Animation durch einzelne Bilder kann durch Klänge „gerendert“ werden, um das Gefühl von Exaktheit, Unmittelbarkeit, Unschärfe oder Detail zu verdeutlichen (zu letzterem siehe auch das Paper The Effect of Sound on Visual Fidelity Perception in Stereoscopic 3-D). Desweiteren kann eine zeitliche Linearität ermöglicht werden, indem während eines Schnittes ein Klang bestehen bleibt (ohne Klang könnten theoretisch Jahrzente zwischen den Kameraeinstellungen vergangen sein). Außerdem vektorisieren oder dramatisieren Geräusche Aufnahmen zu einer Erwartung, Zukunft, einem Ziel oder einem Gefühl der Bedrohung in der gleichen Art, wie Musik einen zu einem bestimmten Gefühl leitet.
Die Synergie zwischen Bild und Ton verursacht die Wahrnehmung (S. 22f): Genau wie Bilder allein nicht spezifisch sind (eine verlassene Straße kann durch die richtige Vertonung zum Beispiel gruselig oder friedlich wirken) können auch Geräusche verschiedenste Wirkungen verursachen. Dies ist (neben der weiter unten erwähnten Synchrese) prinzipiell die Grundlage von Sound Design; wenn im Splatterfilm ein Kopf zerplatzt denkt niemand an die Wassermelone, deren Zerstörung den Klang verursacht hat. Um zu einem perfekten Ergebnis zu kommen braucht es jedoch meist noch die richtige Durchführung der Aufnahme, digitale Nachbearbeitung und „Sweetening“ (Mischung verschiedener Klänge, um einen bestimmten Klang zu erzeugen).
Audiovisueller „flow“ kann in zwei Arten verwendet werden (S. 46): In der „internen Logik“ folgen Bild und Ton einem flexiblen und organischen Prozess der Entwicklung, Variation und des Wachstums der Narrative und deren erzeugter Gefühle (Bsp. La Dolce Vita). Die „externe Logik“ bedient sich dagegen Effekten der Diskontinuität, Unterbrechung und Zerbrechung des Mediums um eine Entwicklung der Geschichte und ihrer Charaktere zu verdeutlichen (Bsp. M – Eine Stadt sucht einen Mörder).
Synchrese (Synchronismus & Synthese) beschreibt die Verschmelzung eines Phänomens in Klang und Bild (S. 63): Diese Verbindung muss nicht unbedingt logisch sein; die gleichzeitige Wahrnehmung reicht oft für den Menschen, um eine Kausalität zu erkennen. Kreatives Sound Design ist dadurch erst möglich; eine Vielzahl an Geräuschen kann zum Bild hinzugefügt werden, wodurch nicht nur die Wahrnehmung des Bilds verändert werden kann, sondern auch Emotionen und Bedeutung im Sound übertragen werden können.
Bei „akusmatischen Geräuschen“ (im deutschsprachigen Raum auch unidentifizierbares Klangobjekt – UKO) weiß der Zuseher im Gegensatz zu visualisierten Geräuschen nicht, zu welcher Quelle sie gehören (S. 71): Ihr dramatischer Effekt folgt aus dieser Spannung/Ungewissheit; man muss sich durch Geräusche und Kontext selbst ein Bild zusammenreimen. Wenn der Klangverursacher bildlich enthüllt wird spricht man von de-akusmatisierung (siehe u.a. die Anfangszene von Jurassic Park).
Materialisierende Sound Indizes sind für Details einer Geräuschquelle verantwortlich (S. 114): Wenn man mit einem Freund telefoniert merkt man recht schnell, falls dieser krank ist. In dieser Weise kann man durch die M.S.I. das zweidimensionale Bild im Film „fühlen“. Man wird über Rauheit, Festigkeit und Gewicht informiert und kann die geräuschverursachende Aktion besser abschätzen.
Quellen:
Audio-Vision: Sound on Screen von Michel Chion, edited and translated by Claudia Gorbman