Sport in 360° – DESIGN AND RESEARCH '17

Mit »Jesus VR« ist das 360° Video mittlerweile sogar bis zum Spielfilm vorgedrungen. Wer schon einmal auf dem Set eines Spielfilms war, frag sich zurecht wie das gehen soll. Denn hinter der Kamera spielt sich in der Regel mehr ab als vor der Kamera. Meist über 100 Personen arbeiten daran, damit beim Dreh alles möglichst glatt läuft. Wohin also mit all diesen Menschen, wenn es keinen toten Winkel gibt? Im Fall von »Jesus VR« musste sich das Filmteam verkleiden und sind als Statisten in im Film zu sehen. Doch das waren längst noch nicht alle Schwierigkeiten. Belichtung, Ton, alles muss irgendwo versteckt werden. Auch schnelle Schnitte sind nicht möglich, da der Rezipient eine Weile benötigt um sich in der neuen Szene zurecht zu finden. Und wie steuert man überhaupt die Aufmerksamkeit des Rezipienten?

Trotz all dieser Schwierigkeiten blieb »Jesus VR« nicht der einzige Spielfilm. Die Haupteinsatzgebiete der 360° Video Technologie sind jedoch andere. Diese lassen sich in zwei Anwendungen aufteilen.

Zum einen sind dies Filme, in denen der Fokus des Rezipienten nicht auf ein besonderes Geschehnis gelenkt werden muss. Es findet keine große Aktion im Video statt. Als Beispiel sind hier Landschaftsaufnahmen zu nennen. Oder – sehr ähnlich – für den privaten Gebrauch, Urlaubsaufnahmen. Diese Art von Aufnahmen diene eher dazu, einen eine Art virtuellen Zufluchtsort zu schaffen, den man jederzeit besuchen kann.

Das zweite Hauptanwendungsgebiet des Mediums 360° Video sind Situationen, bei denen die Aufmerksamkeit klar gesteuert wird. Vergleichbar ist die mit einem Zirkus, bei dem jeder Zuschauer automatisch hinunter in die Mange schaut, weil sich dort das Spektakel abspielt. Dies haben wir z.B. auf Konzerten, aber besonders deutlich beim Sport. Aus diesem Grund möchte ich mich besonders auf den Sport als Einsatzgebiet der 360° Video Technologie konzentrieren.

Man stelle sich vor ein großes Sportevent steht kurz bevor und du möchtest unbedingt live dabei sein. Allerdings sind die Tickets schon längst ausverkauft oder wenn dann nur noch zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt zu ergattern. Dies ist nun kein Problem mehr, du musst nur noch deine VR Brille aufsetzen und du bist quasi mitten im Geschehen auf den besten Plätzen im Stadion, ermöglicht durch 360° Kameras.

360° Kameras kamen auch bereits bei etlichen sportlichen Großereignissen zum Einsatz. Zum Beispiel durch das Unternehmen »British Telecommunications«. Sei es in der Champions League, der NHL oder NBA und auch beim Boxen und der Formel 1, alle diese Events wurden bereits erfolgreich in 360° übertragen. Für den Rezipienten bedeutet das, er hat das Gefühl mitten drin zu sein statt nur dabei. So wird für ihn aus einem Event ein persönliches Ereignis. Er ist nicht angewiesen auf die Sichtweise des Kameramanns oder Regisseurs, sondern kann seine Blicke schweifen lassen, wie er möchte.

Versuche, den Rezipienten mit auf das Spielfeld zu nehmen waren bisher nicht erfolgreich. Es gäbe zwar schon 360° Kameras, welche kompakt genug sind um die Sportler nicht zu beeinträchtigen, allerdings ist das entstehende Bildmaterial so verwackelt, dass es untauglich ist und beim Betrachter sogar Schwindel auslösen kann. Und auch wenn die Kamera auf einem festen Stativ steht ist die »Motion Sickness« ein großer Nachteil der 360° Technologie. Diese Krankheit ist mit der Seekrankheit zu vergleichen. Wahrgenommene Bewegungen stimmen nicht mit den ausführenden Bewegungen überein. Es kommt zu einem Konflikt zwischen den Seh- und Gleichgewichtsnerven im Innenohr. Die Folge ist Schwindel und Übelkeit. Dies macht es kaum möglich, länger als 20 Minuten am Stück zu schauen.

Hier setzt die Firma »Virtually Live« an. Sie bieten das Sportevent in virtueller Realität an. Wo is da jetzt der Unterschied? Auch wenn ich mich bei 360° Videos an den Ort, an dem die Kamera steh versetzt fühle gilt das streng genommen nicht als »Virtual Reality«. Denn ich bin an den Ort der Kamera gebunden, ich kann mich nicht frei in der virtuellen Welt bewegen und auch nicht mit ihr interagieren.

Aber wie umgeht »Virtually Live« nun diese Hürde? Es zeigt eine virtuelle Rekonstruktion des Stadions und der Spieler in nahezu Echtzeit, und die Fans sind eingeladen, einzusteigen und die Umgebung von jedem beliebigen Standpunkt aus zu betrachten. »Virtually Live« fügt dem Mix jedoch soziale Funktionalität hinzu. Fans erscheinen als Avatare und können über VoIP miteinander interagieren. Die Firma möchte es damit für die Menschen noch attraktiver machen, sich zu treffen und Spiele in VR anzuschauen. Und auch die zuvor erwähnte »Motion Sickness« kann durch dieses Verfahren abgeschwächt werden. Dies geschieht durch ein spezielles Rederverfahren, das das Sichtfeld etwas begrenz. Bleibt nur die Frage, ob ich ein Sportevent tatsächlich zeitversetzt als Animation, statt live im Realbild sehen möchte?

In einem weiteren Bereich des Sports tun sich durch die neuen Technologien ganz neu Möglichkeiten auf. Und zwar beim Training selbst. Seit je her wird hier Filmmaterial zur taktischen Schulung verwendet. Durch 360° Aufnahmen können sich die Sportler noch besser in die ausgewählten Spielsituationen hineinversetzen, weil er sie so erlebt, wie er sie auch tatsächlich auf dem Platz erlebt. Dies macht die spätere Umsetzung erheblich leichter als wenn er es von der bisherigen Außenansicht auf dem Platz adaptieren muss. Hier haben sich besonders die Firmen »STRIVR« und » Beyond Sports« hervorgetan. Es kommen dabei beide bisher kennen gelernten Techniken zum Einsatz.