Ein technisch noch so ausgereiftes Gerät ist nichts wert, wenn es durch die unterstützt kommunizierende Person nicht bedient werden kann“ (Breul, 2013).
Sich über Sprache zu verständigen ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Sprache ist auch die wichtigste Grundlage für einen sozialen Austausch mit anderen Menschen.
Weltweit haben über zwei Milliarden Menschen verschiedene Arten und Grade von Behinderung oder auch altersbedingte Barrieren, die die Benutzung von IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) behindern. Auch die fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft in den unterschiedlichsten Bereichen wie zum Beispiel dem Arbeitsmarkt, Handel, Gesundheit, Reisen, erhöht die Komplexität und Anforderung an die digitale Kompetenz, um am täglichen Leben teilnehmen zu können. Menschen mit einer beeinträchtigen Sprachentwicklung und Einschränkungen von motorischen und kognitiven Fähigkeiten können folglich unter schweren Folgen leiden. Isolation, Fremdbestimmung und geringe Lebensqualität gehen mit beeinträchtigten Fähigkeiten einher. In der unterstützten Kommunikation geht es darum, Menschen, die keine oder eine verzögert entwickelte Lautsprache haben, ihr Recht auf Sprache und Gefühlsäußerung zu geben. Dabei gibt es eine große Bandbreite an Hilfsmitteln, wie man Kommunikation anbahnen, verfestigen oder auf alternative Wege führen kann. Die Hilfe reicht von der einfachen Anbahnung der Sprache bis zur vollen Teilhabe an der Kommunikation.
Warum ist Kommunikation wichtig?
Wir kommunizieren mittels Lautsprache, Mimik und Gestik. Verbale Kommunikation ist jedoch die Kommunikationsart, die für uns am leichtesten zugänglich ist. Sie die objektivste und hat eine entsprechende Syntax, die wir schon als Kind gelernt haben. Deswegen kennen wir die Bedeutung der Zeichen und verstehen uns gegenseitig. Sprache ist das Tor zur Selbstständigkeit und für unser Selbstbewusstsein. Sprache ist auch die Chance auf Bildung, die Möglichkeit Beziehungen aufzubauen und die Möglichkeit sich über Erlebnisse und Gefühle auszutauschen. Jeder Mensch hat das Recht auf Sprache. Alternative Communication kann Menschen mit Behinderungen eine Sprache verleihen. Darauf geht auch Chris Klein im TEDx – Talk „Seeing unique abilities“ ein und stellt die Frage ob es einen Zeitpunkt geben wird, zudem ein Mensch mit Behinderung als eine normale Person gesehen wird.
Why should people give a chance to somebody, get to know somebody, if they cannot communicate? If you can’t communicate, you can’t achieve what you want. Augmentative Alternative Communication makes a huge difference.
Wer ist von Kommunikationsbarrieren betroffen?
Sprachentwicklung kann durch unterschiedliche Faktoren eingeschränkt, gar nicht möglich oder nicht mehr möglich sein. Eingeschränkt möglich ist Kommunikation bei Entwicklungsverzögerungen (z.B.: Trisomie 21), Autismus und Fälle wo die Sprachfähigkeit nicht mehr oder nicht mehr vollständig vorhanden sind (nach einem Schlaganfall, ALS, Demenz).
Unterstützte Kommunikation vs. barrierefreie Kommunikation
Unterstützte Kommunikation soll Kommunikation barrierefrei machen. Barrierefrei bedeutet es, eine leichte Sprache zu verwenden. Beide Begriffe – UK und leichte Sprache – sind geschützte Begriffe. Leichte Sprache bedient sich dabei Symbolen der unterstützten Kommunikation. Zum Beispiel durch die Verwendung von Symbolen und einfachen Sätzen. Barrierefreie Kommunikation ist ein politisches Statement. Informationen müssen nach außen so formuliert sein, dass sie für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Seit 01.01.2016 gilt in Österreich dieses Gesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Zur unterstützten Kommunikation gehören lautsprachunterstützende Gebärden, nicht-elektronische Hilfen, sowie elektronische Hilfsmittel. Unterstützte Kommunikation ist die Summe aller Hilfsmittel, die Menschen mit Behinderungen helfen unabhängiger und selbstständiger zu sein. Beide Systeme sollen sich ergänzen.
Ebenen der Kommunikation
Ebene 1 – Die Anbahnung von Kommunikation
Das Ursache-Wirkung Prinzip: Das Verständnis, dass ich bewusst mit einer Äußerung von mir meine Umwelt beeinflussen kann und auf Gefühle und Bedürfnisse von mir aufmerksam machen kann. Nicht regelentwickelten Kindern ist dieses Prinzip oft verwehrt.
Ebene 2 – Symbolkommunikation
Symbolkommunikation und Sprachwiedergabe
Ebene 3 – Textkommunikation
Basiert auf Text mit Bildschirmtastaturen und Sprachwiedergabe
Ganz wichtig sind dabei folgende Fragestellungen: Wo steht die Person in der Kommunikation? Welche Kommunikationsprinzipien sind schon angelegt? Welches Potenzial hat die Person? Aufgrund der Diagnose wird erforscht, welche Hilfsmittel möglich sind.
Möglichkeiten der elektronisch unterstützten Kommunikation
Es gibt einfache und komplexe Kommunikationsgerät mittels denen es möglich ist ohne eigene Lautsprache zu kommunizieren. Ein Symbol oder ein Wort wird durch Berühren oder Augensteuerung ausgewählt und vom Gerät gesprochen. Die Möglichkeiten gehen von der persönlichen Kommunikation bis zur Kommunikation mittels E-Mail, Skype, Social-Media uvm..
Sprechende Taste
Durch eine einfache sprechende Taste wird Menschen mit weniger ausgeprägten motorischen Fähigkeiten ermöglicht, Erlebnisse durch Tastendruck zu erzählen. Es können eine oder mehrere Sequenzen von Eltern oder Betreuern aufgenommen werden.
Symbol – oder textbasierte Apps
Das sind Apps die sich Bild, Ton und Sprache bedienen.
GoTalk Now
Mit der App GoTalk Now können eigene Kommunikationsoberflächen erstellt und miteinander verlinkt werden. Es sind kaum fertige Inhalte vorhanden, dafür können die Oberflächen stark personalisiert werden. Betreuer können so Lebensbücher/Tagebücher erstellen, die der Patient dann erzählen. Es gibt folgende Möglichkeiten:
- Interne synthetische Stimme
- Aufnahme von Sprache
- Medienplayer für Zugriff auf Musikdateien
- Hinzufügen von Videos
- Ansteuern von Hue-Lampen
So können entweder Geschichten über sich und seine Erlebnisse, Hobbies erzählt (mittels Fotos von Dingen zu Hause etc., Videos, Ton….) oder Geschichten und Kommunikation (Multiple-Choice Tests, Szenenbilder, interaktive Geschichten, Wimmelbilder) spielerisch erlernt werden.
Ist die Tippbewegung des Fingers für den Menschen nicht möglich ist, gibt es die Option eine andere Taste mit dem Tablet zu koppeln (mittelst Klinkerkabel oder Bluetooth). Die Schriftsprache in der App dient zur Sprachwiedergabe und zur genauen Definition des Symbols für die Begleitperson und damit diese weiß, was dieses Symbol für Person bedeutet.
Metacom
Symbolbasierte App, in der Symbolsammlungen nach Kategorien fertig vorinstalliert und verlinkt sind. Die App ist jedoch weniger personalisierbar als GoTalkNow.
Predictable
Schriftbasiert und dient der Wortfindung
Woher stammen die Symbolsammlungen?
- ISAAC – Gesellschaft für unterstützte Kommunikation
- GoTalk Now Online Gallerie: Benutzer stellen Sammlungen anderen Benutzern zur Verfügung
- Metacom Symbole
- Boardmaker Symbole
Augensteuerung
TobiiDynavox ist der weltweit größte Entwickler von Augensteuerungshardware und -software. Die Augensteuerungstechnologie nutzt infrarotnahes Licht. Mittels Eyetracking kann so auf Maus und Tastatur verzichtet werden und der Computer mit den Augen gesteuert werden. So kann beispielsweise auch ein Fernseher eingeschaltet werden. Die zugehörige Software heißt Tobii Communicator und versucht auf alle drei Levels der Kommunikation einzugehen. Im Idealfall kann ein Mädchen mit Tobii mit spielerischem Anbahnen von Kommunikation beginnen, über die Symbolkommunikation gehen und mit entsprechender Förderung einzelne Ganzworte lesen. Tobii Game Hub ist ein Add-on für die Eye-Tracking Software die Motion Tracking in manchen Spielen ermöglicht.
Mausersatzgeräte als Zugang zum Computer
Spezielle Tastaturen, Joysticks, eine eigens entwickelte Mundmaus (siehe Foto), sowie verschiedene Sensoren (zum Beispiel ein Beschleunigungssensor – siehe Video) können als Ersatz einer Maus oder Tastatur dienen und Menschen mit Barrieren Zugang zu digitaler Kommunikation verschaffen oder am Arbeitsplatz unterstützen.
Überlegungen beim Design
Ästhetische Dinge sind genau so relevant wie Überlegungen, welches Design die Person benötigt, die die Kommunikationshilfe verwendet. Werden harte Kontraste oder knallige Farben benötigt?
Probleme beim Einsatz
Das beste Kommunikationsmittel ist nutzlos, wenn es vom Betreuerteam oder den Eltern nicht regelmäßig verwendet wird beziehungsweise die Unterstützer sich unzureichend in die Bedürfnisse der Menschen mit Barrieren hineinversetzen. Dass kommunizieren zu können ein großes Privileg ist und eine hohe Wichtigkeit hat, ist bei vielen Betreuern noch nicht angekommen. Damit soziale Bedürfnisse gestillt, Eigenständigkeit erreicht und Selbstbewusstsein aufgebaut werden kann ist das entsprechende Vokabular notwendig. Mit der Zurverfügungstellung von Vokabular geht eine große Form der Macht einher – Was kann die Person sagen und was nicht?
Fragestellungen
- Möglichkeiten und Grenzen bzw. Probleme bei der Kommunikation
- Welche Qualität der Verständigung wird durch ACC erreicht?
- Welche Elemente werden verwendet um die Kommunikation für Menschen mit Barrieren zu unterstützen?
- Welche Besonderheiten müssen im Design von ACC beachtet werden? Welche besonderen Anforderungen an die Benutzeroberfläche, Navigation gibt es? Inwiefern sind diese implementiert oder könnten verbessert werden?
Literatur
Interview mit Mag. Johanna Schröttenhamer, Beratung & Begleitung LIFEtool Graz am 13. 12. 2017
http://uk-app-blog.blogspot.co.at/
http://www.barrierefreie-kommunikation.at/
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/187/Seite.1871000.html
Breul, Wolfgang (2013): Elektronische Kommunikationshilfen – Ein Überblick. In: isaac – Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V. (Hg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation. 10. erw. Aufl. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag.