Erweiterte sowie haptische Eingabemöglichkeiten und die Rolle von Haptik bei User Input bei Menschen mit kognitiven und motorischen Beeinträchtigungen

 Die Haptik ist das Gefühl, das durch das aktive Berührung und der begleitenden Bewegung entsteht

Viele Input Devices mit denen wir im täglichen Leben zu tun haben, zum Beispiel eine Tastatur, Maus oder ein Lichtschalter, erfordern den direkten physischen Kontakt zwischen dem Benutzer und dem Gerät und geben haptisches Feedback als Antwort. Diese Antwort kann beispielsweise der physische Widerstand einer Taste auf der Tastatur sein. In den letzten Jahren haben auch Eingabegeräte die ohne Berührung auskommen an Bedeutung gewonnen. Menschen mit motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen haben oft besondere Anforderungen an Eingabegeräte. Diese ist auch abhängig von dem Ausmaß der Beeinträchtigung. Bei gewissen Beeinträchtigungen besteht aufgrund von fehlenden motorischen Fähigkeiten keine Möglichkeit Computermäuse zu bedienen. Haptisches Feedback erleichtert die Gerätesteuerung ist jedoch bei traditionellen Input Devices oftmals zu gering ausgeprägt. Im Folgenden Blogeintrag möchte ich auf erweiterte Eingabemöglichkeiten näher eingehen (Augstein et al. 2017).

Der Tastsinn

Haut ist ein sensorisches Organ und die Grenzfläche zwischen Organismus und der Außenwelt. Er leistet etwas, das andere Sinnesorgane nicht vermögen. Nur dank des Tastsinns können wir uns orientieren und interagieren. Wir Menschen besitzen zwischen 10 – 20 Millionen Tastsinnrezeptoren.

Wenn ein Baby keine Wärme empfängt, kann das Gehirn nicht richtig ausreifen. Der Tastsinn beginnt im Mutterleib als erstes sensorisches System zu arbeiten, lang vor anderen Sinnen wie der Sehsinn oder Hörsinn. Bereits in der achten Schwangerschaftswoche kann man nachweisen, dass der Lippenbereich eines nicht geborenen Menschen auf Berührungsreize reagiert.

Taktile und haptische Wahrnehmung

Bei der taktilen Wahrnehmung wird das wahrzunehmende Objekt passiv berührt. Bei der haptischen Wahrnehmung hingegen erfolgt durch aktive Exploration wodurch haptische Wahrnehmung deutlich präziser ist als taktile Wahrnehmung.

Warum spielt der Tastsinn eine wichtige Rolle?

Der Tastsinn ermöglicht es uns Menschen, unsere Umgebung und auch uns selbst wahrzunehmen. Sensomotorische Erfahrungen schaffen vertrauen und schaffen die Basis für Interaktion mit der Umgebung. Tasten ist also fundamental für das Ursache- und Wirkungsverständnis und deswegen von großer Wichtigkeit für Personen mit motorischen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

User Interfaces

Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen User Interfaces. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, Farbe, Konstruktion und der Haptik. Forschung und der erfolgreiche Einsatz von speziellen Schaltern, Joysticks, Tastaturen bei Menschen mit Beeinträchtigungen haben wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Menschen mit einer schweren motorischen Beeinträchtigung finden sich aufgrund einer geringeren oberflächlichen Sensitivität besser zurecht, wenn sie ein Bewegungs-Feedback bzw. eine gewisse „Tiefe“ spüren können (zum Beispiel eine hinuntersinkende Taste). So bekommen sie Klarheit und Vertrauen über die ausgeübte Interaktion. Erfolgreiche vereinfachte Input Devices sind der Jelly Bean Twist, die Clevy Tastatur, fun.tast.tisch oder TOM.

Bei neuen Inputmöglichkeiten wie dem berührungslosen Input fällt jegliche Art von haptischen Feedback weg. Gerade bei Beeinträchtigungen wird dadurch das erfolgreiche Ausführen von Aktionen erschwert.

Erweiterte Möglichkeiten bei LIFEtool Apps

Die Organisation LIFEtool entwickelt eigene Apps für Menschen mit Behinderungen. Bei der Entwicklung wird ein großes Augenmerkt auf die Eingabemöglichkeiten gelegt, so dass die APPs und Spiele von einer großen Zielgruppe bedient werden kann.

Deswegen gibt es ein paar erweiterte Möglichkeiten, die LIFEtool Apps anzusteuern. Eine Möglichkeit davon ist mit externen Schaltern. Dazu werden die Bedienungshilfe-Möglichkeiten, im speziellen die Schaltersteuerungsmöglichkeiten des IPad genutzt. (Einstellungen – Allgemein – Bedienungshilfen – Schaltersteuerung). Diese Schalter können tatsächliche „Schalter“ – also Taster, Buttons etc sein, die über Bluetooth mit dem Ipad verbunden werden (oder über einen Bluetooth-Adapter). Darüber hinaus kann aber auch der Bildschirm des IPad selbst zum Schalter werden, indem der ganze Bildschirm berührt werden und damit eine Auswahl getroffen werden kann. Als dritte Möglichkeit gibt es noch die Option „Kamera“. Durch die eingebaute Kamera im Ipad können die LIFEtool-Apps per Kopfsteuerung – also Kopfbewegung angesteuert werden.

Studie zur prototypischen Entwicklung eines Input Devices

Eine Studie beschäftigte sich mit der prototypischen Entwicklung eines Input Devices. Dabei wurden drei verschiedene Devices untersucht.

Die SpongeBox ist eine Box, wobei die inneren Wände mit Schwämmen ausgedeckt sind. Der Benützer soll die Hand in die Box geben und kann vier Seiten messen (unten, vorne, links, rechts). Mittels Drucksensoren wird die Druckintensität in die verschiedenen Richtungen gemessen. Die Schwämme bieten haptische Führung und Feedback. Die SpongeBox ist ein „fully haptic device“.

Die SpongeSense ist halb berührungslos und halb berührungsintensiv. Das Gerät besteht wieder aus einer Box. Der Benutzer kann die Hand frei in der Box bewegen. Durch die Wände weiß der User die Größe und Grenzen des aktiven Bereichs, kann Druck gegen die Wände ausüben und Feedback erlangen.

Der Leap motion controller ist ein vollständig berührungsloses Eingabegerät. Es besteht kein physischer Kontakt, Gesten werden mitten in der Luft ausgeführt. Der Controller ist ein „fully touchless device“.

Die Studie hat ergeben, dass haptisches Feedback sehr wichtig für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen ist. Alle Teilnehmer hatten die beste Input Performance mit der SpongeBox, besonders wenn es um präzisen Input geht. Ein interessantes Ergebnis ist, dass Performance und UX nicht unbedingt korrelieren. Ein Input Device, das zu einer schlechteren Performance führt, kann eine bessere wahrgenommen UX haben.

 

Glossar

AAC – Augmentative and Alternative Communication

Interaction Performance („How well can I work with some input device?”)

UX (“How much do I like working with some input device?”)

Link zu vorherigen Blogbeiträgen

Blogeintrag 1 – Elektronisch unterstützte Kommunikation bzw. Augmentative and Alternative Communication

Blogeintrag 2 – Auswirkung von Behinderung auf Kommunikation

Blogeintrag 3 – Unterstützte Kommunikation – Persönlicher Ausgangspunkt und Hilfsinstitutionen

Literaturverzeichnis

Augstein, Mirjam; Neumayr, Thomas; Burger, Thomas (2017): The Role of Haptics in User Input for People with Motor and Cognitive Impairments. In: Studies in health technology and informatics 242, S. 183–194

https://www.youtube.com/watch?v=XccWJz3jz0I

https://www.lifetool.at/de/forschung-entwicklung/fe-projekte/detailansicht-projekte/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=106&cHash=b89e36d83042183f51c9149a4917cf0d

http://tom.platus.at/

 

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